Balch
  • Stadtplan von Balch (©: Philippe Marquis, DAFA)
  • Luftbild von Balch (©: Philippe Marquis, DAFA)
  • Ansicht des südlichen Abschnitts der Stadtmauer von Balch (©: Philippe Marquis, DAFA)

Aufgrund ihrer strategischen Lage am Schnittpunkt mehrerer Hauptverkehrsrouten zwischen Iran, Indien und China nahm die im Herzen der gleichnamigen Oase gelegene Stadt Balch (Nord-Afghanistan) immer wieder eine Schlüsselposition in der Geschichte Asiens ein. Der griechische Historiker Herodot († um 424 v. Chr.) erwähnt sie unter dem Namen Bactra als die Hauptstadt von Baktrien, einem ausgedehnten Landstrich entlang des Flusses Oxus/Vachsch (Amudarja). Diese Region war bereits ab der Bronzezeit besonders reich und mächtig. Während sich ein Bericht des griechischen Arztes und Geschichtsschreibers Ktesias († nach 393/392 v. Chr.) über angebliche Einfälle der Assyrer im 9. oder 8. Jahrhundert v. Chr. bislang nicht verifizieren lässt, scheint Baktrien in den königlichen Inschriften der Achämeniden als eine der Satrapien des Perserreiches auf. Nach der Eroberung durch Alexander den Großen sowie einem kurzen Zwischenspiel unter den Seleukiden wurde das von griechischen Königen beherrschte Baktrien gegen 250 v. Chr. vom Seleukidenreich unabhängig. Nach der Mitte des 2. Jahrhunderts v. Chr. eroberten es die Yuezhi, eine Konföderation nomadischer Stämme. Sie siedelten sich in Baktrien an und gründeten von dort ausgehend in der Folge das Kuschanreich, eines der größten und mächtigsten Königreiche in der Geschichte Asiens. Nach der Mitte des 3. nachchristlichen Jahrhunderts geriet Baktrien dann unter sasanidische Herrschaft. Eine weitere Welle nomadischer Invasionen im Verlauf der zweiten Hälfte des 4. Jahrhunderts führte wieder zu einer grundlegenden Veränderung der politischen und territorialen Verhältnisse, bis die Region schließlich Ende des 6. Jahrhunderts an die Westtürken fiel.

Obwohl Balch seit 1920 durch diverse einheimische und ausländische Institutionen erforscht wird, ist das gewaltige archäologische Potential der Stätte bisher nur zu einem geringen Teil erschlossen. Dies ist unter anderem auch auf die Überbauung durch die heutige Stadt zurückzuführen. Die Gesamtstruktur lässt sich anhand der Überreste der Wälle rekonstruieren, die im Laufe der Zeit entsprechend ihrer gerade aktuellen Ausdehnung immer wieder neu um die Stadt sowie um die Zitadelle errichtet worden waren. Auf der letzteren finden sich noch bis zu 20 m hohe Abschnitte der mittelalterlichen Lehmmauer, die zum Teil wiederum auf der griechischen Befestigung aufsitzt (Abb. B). Wesentliche Perioden der Stadtgeschichte, etwa die achämenidische und die griechische Zeit, sind im Übrigen hauptsächlich über Keramikscherben und Münzfunde belegt. Anhand der Münzen lässt sich auch erschließen, dass sich damals in Balch bereits eine eigene Münzstätte befand, ein weiteres Anzeichen für die Bedeutung dieser Stadt.

In jüngster Zeit werden durch die Délégation Archéologique Française en Afghanistan (DAFA) in Balch erneut archäologische Untersuchungen durchgeführt, die unserem Wissen bereits einige neue Facetten hinzugefügt haben. Aus Tepe Zargaran, einem künstlichen Hügel innerhalb der kuschanzeitlichen Umwallung, wurden steinerne Architekturelemente aus der griechischen Periode geborgen, die dort in einem späteren Kontext wiederverwendet worden waren, und an einem anderen Platz namens Cheshme-e Shafar konnten beeindruckende Überreste aus der Achämenidenzeit dokumentiert werden, so unter anderem eine gewaltige Steinkonstruktion, bei der es sich möglicherweise um einen zoroastrischen Feueraltar handelt.

Tatsächlich erscheint Balch auch in der literarischen Überlieferung als eine Hochburg des Zoroastrismus, der dort jedoch Seite an Seite mit weiteren Religionen, insbesondere dem Buddhismus, praktiziert wurde. Daneben stehen andere, weniger bekannte Kulte, die ihren Ausdruck dennoch in imposanten Tempelbauten gefunden haben. Dazu zählen etwa der „Oxustempel“ bei Tacht-i Sangin (Tadschikistan) und der sogenannte „Tempel der Dioskuren“ in Dilberjin. In einem Fall war der Tempel vermutlich dem Gott des Flusses Oxus, im anderen war er hingegen einer zentralasiatischen Göttin geweiht. Hinzu kommt der bagolango (baktrisch für „Tempel“) von Surkh Kotal, in dem die personifizierte Sieghaftigkeit des Kuschanherrschers Kanischka verehrt wurde.