Butkara (3. Jahrhundert v. – 10. Jahrhundert n. Chr.), das glanzvolle Tolo, wie es der chinesische Pilger Song Yun im 6. Jahrhundert beschrieb, war über lange Zeit das buddhistische Zentralheiligtum im heutigen Swat (Provinz Khyber Pukhtunkhwa, NW-Pakistan). In der Antike trug das Swat-Tal den Namen Uddiyana und galt als einer der heiligsten Orte des Buddhismus. Zusätzlich wurde es von wichtigen Handels- und Pilgerrouten durchquert, bis sich im 6. Jahrhundert der größte Teil des überregionalen Transitverkehrs nach Afghanistan verlagerte. Auch das schmälerte jedoch die Bedeutung Uddiyanas für den Buddhismus nicht, denn hier wurden wesentliche Züge des späteren, esoterischen Vajrayana-Buddhismus entwickelt, und wenn wir der tibetischen Überlieferung trauen dürfen, dann wurde überhaupt die buddhistische Lehre durch den berühmten Meister Padmasambhava aus Uddiyana nach Tibet gebracht.
Ausgehend von Butkara begann Mitte der fünfziger Jahre des 20. Jahrhunderts unter der Leitung von Domenico Faccenna die archäologische Erforschung von Swat durch die Italienische Archäologische Mission (IsMEO / IsIAO). Ziel der Arbeiten war es, den Ursachen für den Ruhm, den sich diese Gegend in der Antike erworben hatte, auf den Grund zu gehen.
Das Herz des heiligen Bezirks von Butkara bildet der Große Stupa; er ist von 227 kleineren Denkmälern wie Schreinen, Säulen und kleineren Stupas, die im Lauf der Zeit dazugekommen sind, umgeben (Abb. 4 C). Obwohl der Große Stupa selbst in vier sukzessiven Ausbaustufen gleichfalls immer wieder erweitert und verschönert wurde, wich man dennoch nie vom ursprünglichen, kreisförmigen Grundriss ab. Vermutlich wollte man dadurch die Erkennbarkeit als „Dharmarajika-Stupa“, also als Stupa, der bereits im 3. Jahrhundert v. Chr. durch den großen Kaiser Aschoka errichtet worden war, bewahren. Diese besondere Ehrwürdigkeit des Gebäudes wird auch in zwei frühen Inschriften bestätigt.
Von überragender Bedeutung für die Erforschung der buddhistischen Kunst und Architektur sind insbesondere die Erneuerungs- und Ausbauarbeiten, die in Bauperiode 3 des Großen Stupas vorgenommen wurden, also etwa in der Zeit des indoskythischen Königs Azes II. um die Wende vom ersten vorchristlichen zum ersten nachchristlichen Jahrhundert. Genau hier lassen sich nämlich erstmals die Anfänge der Entwicklung der Gandharakunst im Rahmen eines zuverlässigen, sorgfältig dokumentierten archäologischen Kontextes beobachten. Zu den wichtigsten Ergebnissen dieser Forschungen zählt die Erkenntnis, dass die Bildsprache der Gandharakunst gerade zu Beginn wesentlich stärker indisch als hellenistisch geprägt war, ganz im Gegensatz zu dem bis dahin häufig gepflegten Vorurteil, sie sei aus einem rein hellenistischen Erbe entstanden, das dann nach und nach durch den indischen Geschmack „deformiert“ worden sei.
Kaum weniger wichtig ist die folgende Bauperiode 4 des Großen Stupas (Abb. 4 C), die sich von ca. 300 n. Chr. bis in das 7. Jahrhundert erstreckt. Diese Periode, die auch die Zeit der Hunnenherrschaft einschließt, ist nicht nur eine der langlebigsten Entwicklungsstufen in der Geschichte des Heiligtums, sondern zeichnet sich auch durch ihren besonderen Reichtum hinsichtlich baulicher Erweiterungen und der künstlerischen Ausgestaltung aus. Dies gilt speziell für Phase 5 dieser Periode, die in das 5. bis 7. Jahrhundert fällt.