Bamiyan
  • Das fruchtbare Tal von Bamiyan in Zentral-Afghanistan (Hazarajat) mit den beiden kolossalen Buddhastatuen (fotografiert im Jahre 1974)
  • Die 55 m große Buddhastatue (1973) - im März 2001 von den Taliban gesprengt
  • Die 38 m große Buddhastatue (1973) - im März 2001 von den Taliban gesprengt

Bei Bamiyan handelt es sich um eine buddhistische Anlage in Zentralafghanistan, im westlichen Teil der Gebirgsketten des Hindukusch. Sie besteht aus einer Anzahl von Klöstern, Tempeln und Höhlenkomplexen – insgesamt sind es mehr als 900 Einzelstrukturen –, welche in die Felsen des gleichnamigen Tales sowie der Seitentäler von Kakrak und Fola Deh gemeißelt sind.

Im Jahr 628/629 besuchte der chinesische Pilger Xuanzang das buddhistische Königreich Bamiyan. Die politische und ökonomische Bedeutung des Königreichs und damit auch des dort angesiedelten buddhistischen Zentrums, die sich aus Xuanzangs Bericht ableiten lässt, scheint ihre Wurzeln in der Zeit um die Mitte des 6. Jahrhunderts zu haben, als die Route für den Fernhandel zwischen Zentralasien und Indien verlegt wurde und nunmehr direkt an Bamiyan vorbeiführte. Diese Blütezeit mit einem Höhepunkt im 7. und 8. Jahrhundert endete im Laufe des 9./10. Jahrhunderts mit der zunehmenden Islamisierung des Landes. Über kunstgeschichtliche Methoden gewonnene Daten unterstützen dieses Modell des historischen Ablaufs, und zwar sowohl im Hinblick auf die Wandmalereien und die Skulpturenausstattung mancher Höhlen als auch auf deren allgemeines Erscheinungsbild. Die aufwendiger gestalteten Höhlen sind im Grundriss zumeist quadratisch oder achteckig mit gewölbten oder sogenannten Kassetten-Decken und scheinen zeitgenössische Architekturformen wiederzugeben.

Im Unterschied zu sonstigen indischen und zentralasiatischen Felsheiligtümern dieser Zeit enthalten die Höhlen von Bamiyan jedoch kein zentrales Kultobjekt. Das ikonographische Programm ist zumeist entlang einer vertikalen Achse angeordnet und hat sein Zentrum in der Kuppel, die physisch und zugleich konzeptuell die himmlische Sphäre symbolisiert.

Bamiyan verdankt seine Berühmtheit allerdings hauptsächlich den beiden 55 und 38 Meter hohen Buddhaskulpturen, die im Jahr 2001 durch die Taliban gesprengt und damit zerstört wurden. Die zusammen mit ihren Nischen in hohem Relief aus dem Felsen gemeißelten Figuren standen etwa 500 m voneinander entfernt, jeweils am westlichen und östlichen Ende des großen Felshangs im Haupttal und stellten wohl Dipankara und Shakyamuni dar, den ersten und den bisher letzten der historischen Buddhas. Xuanzangs Angaben zufolge existierte noch eine dritte, liegende Skulptur; sie zeigte den Buddha im Moment des Todes beziehungsweise im Augenblick des Eintretens in das Nirwana, also im glückerfüllten Zustand nach dem gänzlichen Verlöschen jeglicher körperlichen und seelischen Individualität. Bisher sind von dieser dritten Kolossalfigur allerdings noch keinerlei Spuren entdeckt worden; möglicherweise ist sie bereits der natürlichen Erosion zum Opfer gefallen. Weitere, kleinere Statuen befanden sich wohl in den heutzutage leeren Nischen. Sie dürften ähnlich ausgesehen haben wie eine 7,70 m hohe Buddhafigur, die sich im Tal von Kakrak noch erhalten hat.

Unter den Malereien in Bamiyan sind insbesondere diejenigen in den Nischen der beiden Kolossalbuddhas berühmt geworden. Bei der 38 m hohen Skulptur war ein Sonnengott auf einem von vier Pferden gezogenen Wagen in Begleitung von weiteren Gottheiten wiedergegeben, dazu eine Zeremonialszene mit fürstlichen Personen und juwelengeschmückten Buddhas. Die Nische der anderen Figur enthielt eine komplexe Szene mit Himmelswesen, Bodhisattvas und wieder einem juwelengeschmückten Buddha, von der leider die zentrale Partie nicht bekannt ist.

Bei der Zeremonialszene in der Nische der 38 m hohen Buddhafigur handelte es sich wahrscheinlich um die Darstellung von Feierlichkeiten, die nach dem Zeugnis Xuanzangs regelmäßig in Bamiyan stattfanden und denen große religiöse und politische Bedeutung zukam. Der Fürst entledigte sich vor einem großen Publikum symbolisch zugunsten des Buddhas all seiner Reichtümer, um die Legitimität seiner Herrschaft zu bestätigen.

Gerade auch angesichts der Zerstörungen durch den jüngsten Bildersturm arbeiten inländische und internationale Teams von Wissenschaftlern in Bamiyan zusammen. Dabei geht es unter anderem um die Stabilisierung der durch die Explosionen beschädigten Felsen sowie um Versuche, die zerstörten Skulpturen physisch oder zumindest virtuell zu rekonstruieren. Hinzu kommen die Untersuchung der Malereien und die archäologischen Bemühungen um eine Standortbestimmung für das sogenannte „westliche Kloster“, ferner die Suche nach den Überresten der von Xuanzang beschriebenen Stadt.