Bemerkenswert ist die Titulatur eines auf Tonbullen dargestellten Kidariten-Fürsten, der sich selbst als „König der Hunnen, der große Kuschan-König, Herrscher von Samarkand“ bezeichnet (Abb. 3/C). Die Präsenz der Kidariten in Sogdien wird durch weitere Tonbullen mit Bildnissen von Kidariten-Fürsten bestätigt, die bei Ausgrabungen in Kafir Kala, einem spätantiken Siedlungsplatz 12 km südlich von Samarkand, gefunden wurden (Abb. 3/D, E).
Zu Beginn des 5. Jahrhunderts erstreckte sich der Machtbereich der Kidariten von Sogdien und Baktrien nach Uddiyana (Swat-Tal) und Gandhara sowie bis nach Taxila im heutigen Pakistan. In all diesen Gebieten haben die Kidariten Münzen geprägt und sind dabei weitgehend den vorgefundenen Strukturen gefolgt.
Die Kidariten in Baktrien
In Baktrien übernahmen die Kidariten um 370 n. Chr. die Herrschaft von den kuschano-sasanidischen Gouverneuren. Ob dies mit Billigung des Sasaniden-Köngs Schapur II. (309–379) geschah oder vielmehr durch eine gewaltsame Eroberung dieser Landschaft, ist nicht bekannt. Das administrative Zentrum der Provinz war die Stadt Balch (Abb. 3/B), in der sich auch eine Münzstätte befand (ihr Name wird auf den Münzen mitunter mit „Bachlo“ angegeben, vgl. Nrn. 2 und 3), die nun von den Kidariten genutzt wurde. Es entstanden hier goldene Schüsseldinare, die sich in ihrer Bildersprache kaum von den kuschano-sasanidischen Vorgängergeprägen unterscheiden. Auf der Vorderseite ist der stehende König an einem Altar opfernd dargestellt (Nrn. 4–6). Die Aufschrift in baktrischer Sprache nennt seinen Namen sowie den Titel „Großkönig“ oder „König der Kuschan“. Ein neues Tamga (Abb. 3/A) könnte als Hinweis auf die Machtübernahme durch die Kidariten gedeutet werden. Auf der Rückseite ist der ostiranische Gott Oescho mit dem Stier nach Art des indischen Gottes Schiva abgebildet. Dieser Münztyp bleibt unverändert bestehen, lediglich die Kronen und Namen der Prägeherren (Wahram oder Kidara) wechseln.
Besonders markant ist die Widderhorn-Krone des Königs Wahram (Nr. 4), der vielleicht schon den Kidariten zuzurechnen ist. König Kidara selbst ist mit einer Lotos-Arkaden-Krone dargestellt; markant ist der auf der Kronenkappe montierte Globus, der von zwei nach oben flatternden Bändern flankiert wird (Nr. 6). Dieser Münztyp wird über einen längeren Zeitraum, wohl auch von den Nachfolgern Kidaras, unverändert geprägt, ist jedoch einer fortschreitenden Verwilderung des Stils und Verschlechterung des Goldgehalts unterworfen (Nr. 7).
Das Ende kidaritischer Herrschaft in Baktrien markiert ein neuer Münztyp, der dem Sasaniden-König Peroz (457–484) zuzuweisen ist; er ließ ihn nach dem von Priscus überlieferten Sieg über die Kidariten in Balch prägen (Nr. 8). Peroz ist hier mit seiner zweiten Krone dargestellt, die er zwischen 458 und 474 trug. Seine Herrschaft in Baktrien war jedoch nur von kurzer Dauer, denn schon bald setzt sich die Reihe der kidaritischen Imitativprägung fort. Allerdings ist unklar, wer hinter diesen Ausgaben steckt (Nr. 9). Spätestens um 483/84 übernahmen die Hephthaliten, ein anderes Hunnenvolk, die Macht in Baktrien (s. Vitrine 10), und Peroz fiel in der Schlacht gegen sie.
Einen wichtigen Anhaltspunkt für die chronologische Einordnung der kidaritischen Münzprägung in Baktrien liefert ein Schatzfund, der 1933 südlich des Hindukusch im buddhistischen Kloster von Tepe Maranjan (in Kabul) gefunden wurde (Abb. 3/F) und der das Ende der sasanidischen Herrschaft in Kabulistan dokumentiert. Neben 367 sasanidischen Silberdrachmen der Könige Schapur II. (309–379), Ardaschir II. (379–383) und Schapur III. (383–388) aus der sasanidischen Reichsmünzstätte in Kabulistan enthielt der Schatz auch zwölf goldene Schüsseldinare der Kidariten aus Balch. Der Schatz muss um etwa 385 n. Chr. verborgen worden sein, woraus abzuleiten ist, dass die kidaritischen Goldmünzen bereits vor diesem Zeitpunkt umliefen. Die ehemals sasanidische Münzstätte in Kabulistan wurde dann von den Alchan übernommen (s. Vitrinen 6 und 7).