7. ALCHAN: König Khingila und die Festigung der hunnischen Macht in Nordwest-Indien

Zu einem nicht näher bestimmbaren Zeitpunkt übernahmen die Alchan den laufenden Betrieb einer in Gandhara gelegenen kidaritischen Münzstätte, wie die gleich bleibenden Reverse und der kontinuierliche Stil zeigen. Sie prägten dort zunächst in der Typologie der Kidariten im Namen Khingilas einen „Übergangstyp“ (Abb. A). Der König trägt hier erstmals eine Krone, die über der Stirn eine Mondsichel und seitlich Flügel aufweist. Kurz darauf erscheint die gleiche Krone auch auf einer regulären Prägung Khingilas (Nr. 4). Von nun an wird eine Krone zum üblichen Bildelement auf den Münzen der Alchan (Nrn. 5–7).

Aus historischen Quellen und archäologischen Funden wissen wir, dass die Expansion der Alchan sich in dieser Phase weit nach Osten über den Indus hinaus und zumindest bis nach Taxila erstreckte. Die antiken Schriftsteller lassen in ihren Schilderungen kaum ein gutes Haar an den Hunnen und beschreiben sie als barbarische Eindringlinge. Lange wurde ihnen daher etwa die Zerstörung Taxilas zugeschrieben (s. Vitrine 5). Aus neueren archäologischen Forschungen wissen wir jedoch, dass dieses Bild nicht der Realität entspricht. Die hunnischen Fürsten traten vielmehr als Stifter von Heiligtümern auf und präsentierten sich als integrative, allen Religions- und Volksgruppen gleichermaßen zugeneigte Kraft. Auf einer in Swat gefundenen, aber wohl in Gandhara hergestellten Silberschale (Abb. B) sind vier Jäger wiedergegeben, von denen aufgrund ihrer Kronen bzw. der Physiognomie jeweils zwei als Alchan und zwei als Kidariten gekennzeichnet sind. Einer der beiden Alchan ist ein weiteres Mal im Mittelmedaillon der Schale abgebildet; bei ihm handelt es sich wahrscheinlich um den Auftraggeber. Sowohl diese Darstellung als auch die friedliche Übernahme der schon erwähnten Münzstätte lassen eine blutige Eroberung, wie man sie dem Klischee zufolge den Hunnen zuschreiben würde, eher unwahrscheinlich wirken.

Kontext
  • A. Drachme von Khingila (um 430/40 – 495). (©: Aman ur Rahman)

A. Drachme von Khingila (um 430/40 – 495). (©: Aman ur Rahman)

Bekrönte Büste des Königs in ¾-Ansicht nach kidaritischem Vorbild; die Krone besteht aus einem Diademreif mit über der Stirn befestigter Mondsichel und an den Seiten je einem Flügel.

  • B. Silberschale mit Jagdszenen, gefunden im Swat-Tal (Uddiyana). (©: London, British Museum)
  • B. Silberschale mit Jagdszenen, gefunden im Swat-Tal (Uddiyana) (©: London, British Museum)

B. Silberschale mit Jagdszenen, gefunden im Swat-Tal (Uddiyana). (©: London, British Museum)

Es sind vier berittene Jäger dargestellt, von denen durch ihre Kronen bzw. die Physiognomie jeweils zwei als Alchan und zwei als Kidariten gekennzeichnet sind. Einer der beiden Alchan ist ein weiteres Mal im Mittelmedaillon der Schale abgebildet; bei ihm handelt es sich vermutlich um den Auftraggeber der Schale.

  • C. Butkara I (Bauphase 4), Wandmalerei mit Stifterfigur (©: Rom, IsIAO)

C. Butkara I (Bauphase 4), Wandmalerei mit Stifterfigur. (©: Rom, IsIAO)

Im buddhistischen Heiligtum von Butkara I (Swat-Tal) wurden auch Reste von Wandmalereien gefunden, die in das 5. Jh. datieren. Auf einem dieser Fragmente ist eine Stifterfigur dargestellt, die aufgrund ihrer charakteristischen Physiognomie als Alchan-Fürst zu identifizieren ist.

Entgegen dem in den literarischen Quellen gezeichneten Bild, das die Hunnen meist als barbarische Wilde und Zerstörer der althergebrachten Kulturen darstellt, traten die hunnischen Fürsten als Stifter von Heiligtümern auf und präsentierten sich als integrative, allen Religions- und Volksgruppen gleichermaßen zugeneigte Kraft.

weitere Informationen
  • D. Tonsiegel mit dem Bildnis eines Alchan-Fürsten und Brahmi-Aufschrift „Avrttagana“ (Name des Fürsten?) (©: Aman ur Rahman)

D. Tonsiegel mit dem Bildnis eines Alchan-Fürsten und Brahmi-Aufschrift „Avrttagana“ (Name des Fürsten?). (©: Aman ur Rahman)