8. Alchan: Die Zeitgenossen des Khingila

Um die Mitte des 5. Jahrhunderts traten neben Khingila auch andere Alchan-Könige in die Münzprägung ein, die ihre Namen (Mehama, Javukha/Zabocho, Aduman) in Baktrisch oder Brahmi auf den Münzen nennen. Typologisch veränderte sich wenig: Auf den Vorderseiten ist meist die bekrönte Büste des Königs mit dem charakteristischen Turmschädel dargestellt. Die Kronen bestehen aus einem mit Mondsicheln, Perlen und Flügelornamenten besetzten Diademreif. Bemerkenswert sind auch die Mondsichelspitzen, die mitunter hinter der Büste hervortreten und den astralen Charakter des Königtums unterstreichen. Hinzu treten das schon bekannte Stammeszeichen der Alchan sowie weitere Bildsymbole, die vorrangig mit der religiösen Glaubens- bzw. Vorstellungswelt in Zusammenhang stehen. Eine Neuerung ist die Büstenform des Mehama, der eine Blume in der ausgestreckten rechten Hand hält (Nr. 3). Ebenfalls neu sind die Reiterdarstellungen des Javukha/Zabocho, die wohl aus der indischen Gupta-Prägung entlehnt wurden (Nrn. 6, 8, 9). Die Rückseiten sind meist schlecht ausgeprägt, es dominiert der sasanidische Feueraltar mit den beiden Assistenzfiguren, neu ist das Cakra (Rad) auf den Reiter-Drachmen des Zabocho (Nr. 9). Neben Mehama (s. Vitrine 3; Nrn. 9, 10) war Aduman der einzige Alchan-König, der auch Dinare mit reduziertem Goldgehalt nach kidaritischem Vorbild prägen ließ (Nr. 10).

Völlig ungeklärt ist die Frage der Münzstätten. Wie die wenigen Funde zeigen, sind alle hier genannten Prägungen südlich des Hindukusch entstanden, wobei sich der geographische Rahmen von Kabulistan über Gandhara und Uddiyana bis in den östlichen Punjab erstreckt. Die Könige haben in den verschiedenen Landesteilen zum Teil gleichzeitig nebeneinander regiert und dort auch ihre Münzen geprägt. In bestimmten Phasen scheint es sogar eine zentrale Stempelherstellung für Khingila, Mehama, Javukha und Lakhana (s. Vitrine 9, Nr. 1) gegeben zu haben, oder die Münzen wurden überhaupt in einer gemeinsamen Münzstätte geprägt. Abschnittsweise ist zwischen Mehama und Javukha zudem eine typologisch wohl abgestimmte, zwischen zwei Münzstätten koordinierte Parallelprägung zu beobachten. Zusammenfassend zeigt der Befund, dass der Alchan-Staat zeitweise von vier, in gutem Einvernehmen stehenden Fürsten regiert wurde. Eine Bestätigung dieser numismatischen Evidenz liefert eine erst kürzlich gefundene Inschrift (Abb. A), die vermutlich in das Jahr 492/93 datiert und unter anderen die Könige Khingila, Toramana (s. Vitrine 9), Mehama und Javukha als Stifter eines buddhistischen Stupas nennt. Umstritten ist, ob diese in der Inschrift genannte Stiftung in einem Gebiet nahe Kunduz in Tocharistan (Nord-Afghanistan) erfolgte oder aber sich auf einen Ort im so genannten Salzgebirge im Punjab (Pakistan) bezieht.

Kontext
  • A. Rolle aus Kupferblech mit Brahmi-Inschrift (58 x 26 cm) (©: Gudrun Melzer)
  • A. Rolle aus Kupferblech mit Brahmi-Inschrift (58 x 26 cm) (©: Gudrun Melzer)

A. Rolle aus Kupferblech mit Brahmi-Inschrift (58 x 26 cm). (©: Gudrun Melzer)

Die Inschrift wurde vermutlich um 493/94 n. Chr., während der Regierung von König Mehama, gestiftet. Dieser ließ die Inschrift anlässlich der Einweihung eines buddhistischen Stupas in der Ortschaft Sardiysa, im Gebiet von Talagan, anfertigen. Neben Mehama sind auch die Alchan-Könige Khingila, Toramana und Javukha als Stifter genannt. Umstritten ist, ob es sich bei Talagan um eine Region in Baktrien (östlich der Stadt Kunduz in Nord-Afghanistan) oder aber um ein Gebiet im Punjab, nördlich des Salzgebirges (Pakistan), handelt.

  • B. Brief (Tinte auf Leder) in baktrischer Sprache von „Meyam, König der Kadag, Statthalter des hervorragenden und wohlhabenden Königs der Könige Peroz“ (©: Nicholas Sims-Williams)

B. Brief (Tinte auf Leder) in baktrischer Sprache von „Meyam, König der Kadag, Statthalter des hervorragenden und wohlhabenden Königs der Könige Peroz“. (©: Nicholas Sims-Williams)

Der Brief ist in das Jahr 461/62 n. Chr. datiert und stammt aus dem Archiv des Fürstentums Rob in Baktrien (Nord-Afghanistan). Meyam bezeichnet sich als König von Kadagstan (in Baktrien, nordöstlich von Rob, im Gebiet von Baghlan zu lokalisieren) und ist dem Sasaniden-König Peroz (457–484) unterstellt.

  • C. Tonbulle von Meyam mit baktrischer Aufschrift „Meiamo“ (©: Aman ur Rahman)

C. Tonbulle von Meyam mit baktrischer Aufschrift „Meiamo“. (©: Aman ur Rahman)

Unklar ist, ob der auf der Tonbulle (C) und im Brief genannte Meyam (B) mit jenem der Kupferinschrift (A) und der Münzen (Nrn. 1–3) identisch ist. Sollte dies der Fall sein, dann wäre Meyam den Alchan zuzurechnen, er hätte seine Karriere um 460 als Statthalter des Sasaniden-Königs Peroz in Baktrien begonnen und vor 493/94 über ein Teilkönigtum der Alchan südlich des Hindukusch geboten.

  • D. Karte von Baktrien mit dem Fürstentum Rob

D. Karte von Baktrien mit dem Fürstentum Rob, wo ein Archiv mit über 150 baktrischen Dokumenten aus dem 4. bis 8. Jh. n. Chr. gefunden wurde.