9. Toramana und Mihirakula – Aufstieg und Fall der Alchan in Indien

Toramana und Mihirakula waren die bekanntesten Hunnen-Könige in Indien, sie sind dort auch inschriftlich gut bezeugt. Nach Ausweis ihrer Münzen sind sie eindeutig den Alchan zuzurechnen, stilistisch stehen ihre Prägungen jedoch etwas abseits von denjenigen der Alchan aus der Zeit Khingilas.

Wie die Inschriften zeigen, schob sich das Operationsgebiet der Hunnen unter Toramana vom Punjab bis nach Zentralindien vor – der südlichste Punkt mit einer Inschrift des Toramana (Abb. B) war Eran in Malwa (540 km südlich von Neu Delhi), ein Gebiet, das die Alchan den Gupta-Kaisern streitig machten.

In einer in Gwalior (am Rande der Ganges-Ebene, 280 km südlich von Neu Delhi) gesetzten Inschrift ist Mihirakula als Sohn des Toramana ausgewiesen. Dies legen auch die Münzen nahe, die durch zahlreiche Überprägungen beweisen, dass Mihirakula zumindest nach Toramana regierte (Nr. 5).

Im Jahre 520 traf der chinesische Pilger Song Yun auf seiner Reise zu den buddhistischen Stätten Indiens (Abb. C) im Punjab einen Hunnen-König, der sich seit drei Jahren im Kriegszustand mit dem König von Kaschmir befand und der vielleicht mit Mihirakula zu identifizieren ist. Vor 532 erlitt Mihirakula eine vernichtende Niederlage gegen Yasodharman, König von Malwa, die den Niedergang der Alchan in Indien einläutete (Abb. D).

Um die Mitte des 6. Jahrhunderts zogen sich die Alchan schrittweise aus dem Punjab und aus Gandhara nach Kabulistan zurück, wo sie auf die Nezak-Könige trafen (s. Vitrine 11). Eine politische oder dynastische Verbindung zwischen Alchan und Nezak wird unter anderem durch eine in Gandhara entstandene Drachmenserie verdeutlicht, die den Alchan-König mit der Stierkopf-Krone der Nezak zeigt (s. Nrn. 9–11).

Nahezu parallel mit dem Niedergang der Alchan in Gandhara und Indien verlief auch der Niedergang der Hephthaliten in Baktrien, die um 560 von einer Allianz aus Sasaniden und Westtürken geschlagen wurden (s. Vitrine 10).

Kontext
  • A. Golddinar des Toramana (?) mit Brahmi-Aufschrift „Prakaschaditya“ (= Sonne des Lichtraums)

A. Golddinar des Toramana (?) mit Brahmi-Aufschrift „Prakaschaditya“ (= Sonne des Lichtraums); geprägt in einer Münzstätte des Guptareiches in Mittelindien. Das Münzbild zeigt den berittenen Hunnenkönig mit einem Löwen kämpfend.

  • B. Inschrift aus dem Jahr 1 des Toramana, auf einer Eber-Plastik in Eran (Malwa, 540 km südlich von Neu Delhi, indischer Bundesstaat Madhya Pradesh). Nach 484/85 n. Chr. (©: Gudrun Melzer)
  • B. Inschrift aus dem Jahr 1 des Toramana, auf einer Eber-Plastik in Eran (Malwa, 540 km südlich von Neu Delhi, indischer Bundesstaat Madhya Pradesh). Nach 484/85 n. Chr. (©: Gudrun Melzer)

B. Inschrift aus dem Jahr 1 des Toramana, auf einer Eber-Plastik in Eran (Malwa, 540 km südlich von Neu Delhi, indischer Bundesstaat Madhya Pradesh). Nach 484/85 n. Chr. (©: Gudrun Melzer)

„Im Jahr 1 der Herrschaft des Königs der Könige Sri-Toramana, der die Erde mit Ruhm und Glanz regiert“.

  • C. Reiseroute des chinesischen Mönchs Song Yun zu den buddhistischen Stätten Indiens, 518 bis 522 n. Chr.

C. Reiseroute des chinesischen Mönchs Song Yun zu den buddhistischen Stätten Indiens, 518 bis 522 n. Chr.

Während der chinesische Mönch Song Yun den König von Uddiyana (Swat-Tal) als frommen Buddhisten schildert, beschreibt er den Hunnen-König, den er auf seiner Pilgerreise im Jahre 520 im östlichen Punjab traf und der vielleicht mit Mihirakula zu identifizieren ist, als grausam und ungläubig in Hinblick auf die buddhistische Lehre. Song Yun reiste über Taschkurgan (Xinjiang) und den Wakhan-Korridor im Pamir-Gebirge nach Baktrien (Tocharistan), wo er im Herbst/Winter 519 am Hof des Hephthaliten-Königs in Baghlan eintraf. Von dort führte ihn sein Weg zurück nach Zebak und über Chitral sowie die Pässe zwischen Hindukusch und Karakorum nach Uddiyana und danach weiter nach Gandhara bis in den östlichen Punjab (Jhelam).

  • D. Mandasor-Säulen-Inschrift von Yasodharman, König von Malwa (Zentralindien). Vor 532 n. Chr. (©: Gudrun Melzer)

D. Mandasor-Säulen-Inschrift von Yasodharman, König von Malwa (Zentralindien). Vor 532 n. Chr. (©: Gudrun Melzer)

Yasodharman rühmt sich darin, König Mihirakula bezwungen zu haben.