4. Kidariten in Gandhara und Uddiyana

In Gandhara und Uddiyana (Swat-Tal, Pakistan) prägten die Kidariten ausschließlich Silber- und Buntmetallmünzen, wobei sie hier dem Vorbild der sasanidischen Drachme folgten, wie sie in diesem Raum von Schapur II. (309–379) eingeführt worden war. Auf der Vorderseite ist stets die Büste des Königs dargestellt, auf der Rückseite der sasanidische Feueraltar, flankiert von zwei Wächterfiguren. Die künstlerische Qualität der Königsbildnisse ist außerordentlich und stellt die zeitgleichen sasanidischen Vorbilder teilweise in den Schatten. Herausragend sind die Porträts in ¾-frontaler Ansicht, die den König meist glatt rasiert zeigen. Auch die Kronen, die aus Widderhörnern, Flügeln, Palmetten, Rosetten und Mondsicheln zusammengesetzt sind, lassen innovative Züge erkennen. Die Beschriftungen sind in Mittelpersisch und Brahmi, selten in Baktrisch verfasst. Als Königsnamen begegnen Wahram, Peroz und Kidara, neu sind Buddhamitra und Srivarma. Wie auf den baktrischen Emissionen (s. Vitrine 3) ist als Titel „König der Kuschan“ gebräuchlich.

Das Zentrum der kidaritischen Silberprägung lag in Gandhara und Uddiyana, wo vier bis fünf Münzstätten (A–E) gearbeitet haben, die jedoch nicht genau zu lokalisieren sind. Ihr Zirkulationsgebiet reichte aber zumindest von Kabulistan bis Taxila. Im buddhistischen Heiligtum von Butkara (Swat) kamen sechs kidaritische Drachmen zutage, die wohl als Produkt einer dort gelegenen Münzstätte zu interpretieren sind (Abb. 4/C).

Die Silberdrachmen wurden von Kupfermünzen begleitet, die dem Kleingeldverkehr der lokalen Märkte dienten. Einer der bedeutendsten Fundplätze ist das hinduistische Höhlenheiligtum von Kaschmir Smast in Nord-Gandhara (Abb. 4/B), wo zahlreiche kidaritische Kupfermünzen gefunden wurden.

Noch vor der Mitte des 5. Jahrhunderts wurden die Herrschaftsgebiete der Kidariten in Gandhara, Uddiyana und Taxila schrittweise von einem anderen Hunnenstamm, den Alchan, übernommen, die sich gegen Ende des 4. Jahrhunderts in Kabulistan festgesetzt hatten und ihren Machtbereich nach Osten über den Khyberpass nach Gandhara und Taxila ausdehnten (s. Vitrinen 6 und 7).

Kontext
  • A. Silberschale (teilvergoldet) mit sasanidischem König auf Wildschweinjagd. 4. Jh. n. Chr. Gefunden 1893 in Kertschewa (Uralvorland, Region um Perm). (©: St. Petersburg, Staatliche Eremitage, Inv.-Nr. S-24)
  • A. Silberschale (teilvergoldet) mit sasanidischem König auf Wildschweinjagd. 4. Jh. n. Chr. Gefunden 1893 in Kertschewa (Uralvorland, Region um Perm). (©: St. Petersburg, Staatliche Eremitage, Inv.-Nr. S-24)

A. Silberschale (teilvergoldet) mit sasanidischem König auf Wildschweinjagd. 4. Jh. n. Chr. Gefunden 1893 in Kertschewa (Uralvorland, Region um Perm). (©: St. Petersburg, Staatliche Eremitage, Inv.-Nr. S-24)

Der König trägt eine Widderhorn-Krone, wie sie auch auf den Münzen der Kidariten prominent begegnet. Die Schale stammt aus einer lokalen Werkstatt im Osten des Sasanidenreichs und war im Besitz eines sogdischen Händlers.

  • B. Kaschmir Smast, Eingang zur Kulthöhle (©: Klaus Vondrovec)
  • B. Kaschmir Smast, Klosteranlage (Bakhai-Komplex) am Fuße der Kulthöhle (©: Nasim Khan)
  • B. Kaschmir Smast, Blick nach Südosten auf das Dorf Pirsai (©: Klaus Vondrovec)

B. Das hinduistische Heiligtum von Kaschmir Smast (Devadharma Nagara) in Gandhara.

Das Heiligtum liegt in den Sakara-Bergen in 1135 m Höhe und besteht aus mehreren Kultplätzen, Klosteranlagen sowie einer Kulthöhle. Seine Gründung erfolgte wohl zur Zeit der großen Kuschan-Dynastie im 2./3. Jh. n. Chr. Als der chinesische Mönch Xuanzang in den 620er-Jahren Gandhara bereiste, stand das Heiligtum noch in voller Blüte. In den letzten Jahren wurden in und um Kaschmir Smast zahllose Kupfermünzen gefunden, von denen ein großer Teil den Kidariten zuzurechnen ist (s. Nrn. 10–12).

weitere Informationen
  • C. Butkara I in Uddiyana (Swat-Tal), buddhistische Klosteranlage mit großem Stupa und kleineren Heiligtümern (©: Rom, IsIAO)
  • C. Butkara I in Uddiyana (Swat-Tal), buddhistische Klosteranlage mit großem Stupa und kleineren Heiligtümern (©: Rom, IsIAO)

C. Butkara I in Uddiyana (Swat-Tal), buddhistische Klosteranlage mit großem Stupa und kleineren Heiligtümern. (©: Rom, IsIAO)

Die italienischen Ausgrabungen ergaben fünf wesentliche Bauphasen, die vom 3. Jh. v. Chr. bis ins 10./11. Jh. n. Chr. führen. Phase 4 (im Plan in Rot markiert) reicht vom Beginn des 4. Jhs. bis in das 7. Jh. n. Chr. und ist eine der künstlerisch reichsten und aktivsten in der Geschichte des Bauwerks. Im Zuge der Ausgrabungen wurden auch sechs kidaritische Silberdrachmen gefunden. Sie stammen nach Stil und Fabrik alle aus einer Münzstätte, die wohl in Uddiyana zu lokalisieren ist (vgl. Nrn. 6, 7)

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