Tapa Sardar
  • Kopf einer Göttin aus der späten Periode (8. Jh.) des buddhistischen Heiligtums von Tapa Sardar (bei Ghazni, Zabulistan). Bemalter Ton, H. ca. 64 cm. (©: Rom, IsIAO)
  • Hypothetische Rekonstruktion der Durgaskulptur von Tapa Sardar (©: Rom, IsIAO)
  • Kleiner, sternförmig angelegter Stupa aus der späten Periode von Tapa Sardar (8. Jh.). Ton; maximale erhaltene H. 1 m. (©: Rom, IsIAO)
  • Ein Restaurator in Tapa Sardar bei der Arbeit (©: Rom, IsIAO)

Das buddhistische Heiligtum von Tapa Sardar bei Ghazni in Afghanistan liegt auf einem Hügel mit Blick auf die Ebene Dasht-i Manara und die alte „Südstraße“, die immer noch Kabul und Kandahar miteinander verbindet. Bei dem in der späten Kuschanperiode errichteten Heiligtum handelt es sich wahrscheinlich um eine königliche Gründung, wie inschriftliche, literarische und archäologische Hinweise nahelegen. Die auf einem Gefäß angebrachte Inschrift „Kanika maharaja vihara“ („der Tempel des großen Königs Kanishka“) dürfte sich wohl nicht auf Kanischka I. (um 127/128 – 150/151), sondern auf Kanishka II. (um 231/232 – 243/244) oder III. (ca. 2. Hälfte 3. Jh. n. Chr.) beziehen, aber dennoch ist es charakteristisch, dass eine Assoziation mit einem König in Gestalt der Bezeichnungen Schah Bahar („der Tempel des Königs“) sowie des modernen Namens Tapa Sardar („Hügel des Anführers“) auch noch in späteren Namen des Orts aufscheint. Möglicherweise handelt es sich um denselben Ort namens Shah Bahar, der nach nach dem Kitab al-buldan (Buch der Länder) des arabischen Historiker und Geographen al-Ya`qubi († um 897) im Jahr 795 durch die muslimische Invasionsarmee zerstört wurde. In archäologischer Hinsicht zeigt sich die Bedeutung des Heiligtums an seiner auf Sichtbarkeit hin angelegten, monumentalen Architektur sowie an einigen Besonderheiten der Bau- und Ausstattungsgeschichte. Alles zusammen verweist darauf, dass hier bedeutende religiöse und politische Zeremonien abgehalten wurden.

Den Kern des Heiligtums bildete der große Stupa, der sich auf der oberen Terrasse erhebt und von Kapellen, kleineren Stupas und Statuen umgeben war. Andere Kultanlagen, darunter wahrscheinlich auch das Kloster, befanden sich auf tiefer gelegenen Terrassen. Abgesehen vom großen Stupa und ein paar weiteren aus Stein errichteten Monumenten bestanden die Gebäude und deren plastische Dekoration aus ungebranntem Lehm, dessen Formbarkeit den damaligen Architekten und Bildhauern schier unbegrenzte Gestaltungsmöglichkeiten bot. Leider ist dieses Material jedoch nicht besonders haltbar, weshalb aus den frühesten Ausstattungsphasen des Heiligtums nur sehr wenig erhalten ist. Sein Bestand wurde durch einen Brand verwüstet, der möglicherweise auf die muslimische Eroberung der Gegend durch Ubayd Allah bin Ziyad im Jahr 671/672 zurückzuführen ist.

In einer teilweise aus dem Brandschutt bestehenden Schicht fanden sich allerdings Hunderte von Skulpturenfragmenten, deren starker hellenistischer Einschlag die frühe Ausstattung von Tapa Sardar (Antique Period 1) mit dem „Mainstream“ der Gandharakunst der ersten nachchristlichen Jahrhunderte verbindet. Die folgende Phase (Antique Period II) zeichnet sich dagegen durch die kolossale Größe der Skulpturen und einen massiven Einsatz von Vergoldung aus. Auf den Zerstörungshorizont folgt schließlich die von umfangreichen Wiederherstellungsarbeiten geprägte Recent Period, deren Stil sehr an die Kunst von Fondukistan erinnert. Während dieser Periode wurden einige reich mit Skulpturen und Wandmalereien ausgestattete Kapellen errichtet. Die Bildprogramme illustrieren wesentliche Aspekte der religiösen Kultur dieser Zeit, so die transzendente Natur Buddhas, das Eingehen des historischen Buddhas in das Nirwana, das Warten auf die Ankunft Maitreyas, des künftigen Buddhas, und die Funktion des Königs als Hüter der buddhistischen Lehre in der Zeitspanne, die zwischen dem Erscheinen des letzten und des zukünftigen Buddhas liegt.