In der schriftlichen Überlieferung erscheint Agrippa II. neben seiner Schwester Berenike als wenig tatkräftig (Kapitel 11), auch hat er sich nur zögerlich am Krieg beteiligt. Allerdings wird von ihm berichtet, dass er die Zerstörung Jerusalems und des jüdischen Tempels am Ende des 1. Jüdischen Krieges 70 n. Chr. persönlich miterlebt habe und dass er 75 n. Chr. für seine durchgehende Unterstützung und Loyalität gegenüber Rom durch Vespasian mit dem Titel eines Prätors und dem Gebiet von Arca belohnt wurde (Flavius Josephus, De bello Iudaico 3,57; 7,97). Sein Herrschaftsgebiet umfasste danach die Gebiete Ulatha, Hermon, Abilene, Teile von Galiläa und Peräa sowie Arca (Übersichtskarte). Wann genau Agrippa II. starb ist nicht eindeutig zu ermitteln, angeblich soll er im dritten Regierungsjahr Kaiser Trajans, d. h. 100 n. Chr., kinderlos gestorben sein. Mit ihm endete die Dynastie der Herodianer.
Die Münzprägung der letzten herodianischen Herrscher
Im Vergleich zu seinen Vorgängern prägte Agrippa II. während seiner langen Regierungszeit eine weitaus größere Anzahl an Münztypen. Im Verlauf des 1. Jüdischen Krieges ruhte die Münzprägung, sie scheint nicht vor den frühen 70er Jahren wieder aufgenommen worden zu sein. Danach wurde stoßweise bis zum Jahr 95/96 n. Chr. geprägt. Der größte Teil von Agrippas II. Prägetätigkeit datiert in die Jahre nach dem 1. Jüdischen Krieg. Die Münzen zirkulierten primär innerhalb seines Herrschaftsgebiets und wurden vermutlich großteils in seiner HauptstadtCaesarea Philippi geschlagen. Aus der Zeit vor dem Krieg können Agrippa II. nur vereinzelte Münzemissionen zugewiesen werden, darunter solche aus der Stadt Sepphoris.
Das in Galiläa gelegene Sepphoris war nach einer Rebellion im Jahre 4 n. Chr. vom römischen Gouverneur von Syrien, Publius Quinctilius Varus, völlig zerstört worden – von jenem Feldherrn, der einige Jahre später mit seinen Legionen im Teutoburger Wald seinen Untergang finden sollte. Als Agrippa II. mit Vespasian im Jahre 67 n. Chr. Richtung Süden nach Jerusalem zog, hatte sich die mittlerweile wieder prachtvoll aufgebaute Stadt auf die Seite des römischen Feldherrn gestellt, um einer neuerlichen Zerstörung zu entgehen. Vespasian schlug hier sein Hauptquartier auf und ließ offenbar auch Münzen prägen (Nr.1B), die Agrippa II. imitierte (Nr.2B).
Die Datierung von manchen vorkriegszeitlichen Münzen ist umstritten, da Agrippa II. hier eine Doppeldatierung verwendete: Jahr 11 (ΕΤΟΥC ΑΙ ΤΟΥ Κ) sowie die Zahl 6 (ς) (Nr.3B und Nr.4A). Als Agrippas Königreich von Nero vergrößert worden und weitere Gebiete unter seine Herrschaft gekommen waren, hatte er zwei Datierungen auf im Jahr 60/61 n. Chr. herausgebrachte Münzen, die zwei unterschiedlichen Ären entsprachen. Eine Ära war mit dem Jahr seiner Thronbesteigung beginnend gezählt, d. h. von 49 n. Chr. an (auf welches das „Jahr 11“ Bezug nimmt), die zweite Periode begann vermutlich 53/54 n. Chr. (woraus sich das „Jahr 6“ ergibt), mit dem Jahr, in dem Agrippa II. als König nach Palästina zurückkehrte. Auf der Münze Nr.4A ist auch Agrippas II. römischer Name Marcus Agrippa belegt.
Kurz nach dem Ende des Krieges im Jahre 70 n. Chr. setzte Agrippa II. seine Münzprägung fort, die daraufhin ein ganz neues Erscheinungsbild annahm. Die Münzen tragen nunmehr die Bildnisse der regierenden Kaiser von Vespasian bis Domitian (vgl. Nr.10A und Nr.12A), sie sind zumeist mit griechischen Legenden beschriftet und bilden auf den Rückseiten römische Gottheiten ab (vgl. Nr.5B und Nr.11B). Dabei werden nicht nur einzelne Bilder der reichsrömischen Prägungen imitiert (vgl. Nr.14B und Nr.15B mit Nr.5B und Nr.11B), sondern mitunter auch einzelne Typen nahezu unverändert, nur versehen mit griechischen Legenden, nachgeprägt (vgl. Nr.9B mit Nr.16B).
Vereinzelt tauchen in der Münzprägung Agrippas II. auch außergewöhnliche Motive auf, wie etwa das Bild des Gottes Pan, das auf das Jahrhunderte alte Panheiligtum der Stadt Caesarea Philippi (ursprünglich Paneas) verweist (Nr.13B). Ebenso wird auf Darstellungen aus der hellenistisch-griechischen Vergangenheit zurückgegriffen (Nr.7B).
Zusätzlich zu Agrippas eigenen Münzen wurde die regionale Geldversorgung Palästinas unter den flavischen Kaisern durch Städteprägungen aus Gaza, Aschkelon, Neapolis, Sebaste, Caesarea Maritima und Gaba sichergestellt. Die am weitesten verbreiteten Münzen in Silber und Bronze, die zu dieser Zeit in ganz Palästina in Umlauf waren, kamen aus Antiochia am Orontes, der Hauptstadt der syrischen Provinz.
Weiterführende Literatur
N. Kokkinos (Hg.), The World of the Herods (Oriens et Occidens 14), Stuttgart 2007
A. Kushnir-Stein, The Coinage of Agrippa II (Scripta Classica Israelica. Year-book of the Israel Society for the Promotion of Classical Studies 21), Tel Aviv 2002, 123‒131
Y. Meshorer, A Treasury of Jewish Coins. From the Persian Period to Bar Kokhba, Jerusalem 2001
Y. Meshorer u. a., Coins of the Holy Land. The Abraham and Marian Sofaer Collection at the American Numismatic Society and the Israel Museum, New York 2013, 2 Bde.
P. Schäfer, Geschichte der Juden in der Antike. Die Juden Palästinas von Alexander dem Großen bis zur arabischen Eroberung, Tübingen 2010