Der Verlust Jerusalems und vor allem des Tempels bedeutete, dass sich sowohl die politische als auch die religiöse Situation der Juden ab dem frühen 2. Jahrhundert n. Chr. radikal veränderte. Alle Teile der jüdischen Gesellschaft waren gezwungen, ihre religiösen Praktiken und das Leben als Jude an sich neu zu definieren. Dies galt vor allem für diejenigen, die in Palästina lebten. Am bedeutsamsten war, dass nach dem 1. Jüdischen Krieg die Priesteraristokratie, die zuvor fest mit dem Tempel verbunden gewesen war, ihre Bedeutung verlor und die führende Jerusalemer Elite sich zerstreute. Der Aufstieg des rabbinischen Judentums nach dem ersten Krieg ging nicht zuletzt mit einer breiteren Vielfalt im Zusammenhang mit der Befolgung der jüdischen Gebote einher.
Die Römer als Gewinner
Die Eroberung Judäas war in der Münzprägung des Vespasian und des Titus ein besonderes Thema. Münzen mit entsprechenden Motiven wurden in Gold, Silber und Buntmetall geprägt. Darstellungen des Sieges und der Gefangenen sind zentrale Bildmotive. Am häufigsten findet sich die Abbildung einer am Boden sitzenden, trauernden weiblichen Gestalt: der personifizierten Judäa (beispielsweise Nr.1A und Nr.1B). Sie wird u. a. vom römischen Kaiser in heroischer Pose begleitet (Nr.2B und Nr.4B). Zu sehen sind auch jüdische Gefangene mit am Rücken gefesselten Händen (Nr.3B) und Kriegs-Trophäen (Nr.1B). Mit der begleitenden Umschrift IVDAEA CAPTA (Erobertes Judäa) wird die Münze zu einem aussagekräftigen Nachrichtenträger.
Da Domitian am Sieg über Judäa nicht beteiligt gewesen war, wurden für ihn keine IVDAEA CAPTA-Münzen geprägt. Er versuchte, dem militärischen Erfolg seines Vaters und Bruders mit einem Sieg über die Germanen nachzueifern. Nachdem er diesen errungen hatte, bediente er sich in den kaiserlichen Prägungen weitgehend der Bildmotive, die unter seinem Vater und seinem Bruder entworfen worden waren, nur dass an der Stelle von Iudaea (Capta) nun stets Germania (Capta) zu lesen ist (Nr.9A). Auch nahm Domitian den Titel Germanicus an. In Palästina finden sich Prägungen der römischen Administration aus Caesarea Maritima. Sie entstanden unter Domitian und präsentieren den siegreichen Kaiser mit dem Titel Germanicus, wobei sie mit einer Darstellung des Palmbaumes versehen sind (Nr.8B), einer Anspielung auf die Palme der IVDAEA CAPTA-Münzen. Agrippa II. hatte ein paar Jahre zuvor in ähnlicher Weise schon Domitians Sieg über die Germanen in seiner Münzprägung gefeiert (Nr.6B).
Ein Münztyp Nervas aus dem Jahr 96 n. Chr. mit der Umschrift FISCI IVDAICI CALVMNIA SVBLATA (der Missbrauch der Judensteuer ist beseitigt) verbreitet eine Nachricht, mit denen sich der neue Kaiser der Öffentlichkeit empfahl (Nr.10A). Vermutlich musste die Steuer damals nur noch von bekennenden Juden geleistet werden.
Funde aus Masada bezeugen die Niederlage der Juden im Jahr 74 n. Chr. Hier wurde u. a. ein Hort mit Silberschekeln und Halbschekeln aus den 5 Kriegsjahren ausgegraben (Bild E.). Er war wohl von einem Aufständischen gegen Ende des Krieges aus Jerusalem, dem Prägeort dieser Münzen, nach Masada verbracht worden, bevor die Festung von den Römern eingekesselt und gestürmt wurde.
Weiterführende Literatur
M. Heemstra, The Fiscus Judaicus and the Parting of the Ways, Tübingen 2010
Y. Meshorer, A Treasury of Jewish Coins. From the Persian Period to Bar Kokhba, Jerusalem 2001
Y. Meshorer u. a., Coins of the Holy Land. The Abraham and Marian Sofaer Collection at the American Numismatic Society and the Israel Museum, New York 2013, 2 Bde.
P. Schäfer, Judeophobia. Attitudes toward the Jews in the Ancient World, Harvard 1998