10. Die Hephthaliten in Baktrien

Nachdem der Sasaniden-König Peroz die Kidariten im Jahre 467 aus Baktrien vertrieben hatte (s. Vitrine 3), drohte ihm bald neues Ungemach in Gestalt eines anderen Hunnenstammes, der Hephthaliten. 474 erlitt das persische Heer, das von Peroz persönlich kommandiert wurde, eine erste Niederlage gegen sie. Peroz geriet in Gefangenschaft und musste sich mit einem Lösegeld von 30 Maultierlasten Silberdrachmen (ca. 1500 kg) freikaufen. Nachdem der König seine Freiheit wiedererlangt hatte, rüstete er trotz aller Warnungen erneut zum Krieg. So kam es im Jahre 484 zur Entscheidungsschlacht, bei der Peroz sein Leben ließ. Baktrien fiel damit endgültig an die Hephthaliten, die nun begannen, in der Hauptstadt Balch eigene Münzen zu prägen.

Zuvor, wohl noch unter den Kidariten (s. Vitrine 3), dürfte in der ersten Hälfte des 5. Jahrhunderts in einem Teil Baktriens ein Fürst an die Macht gekommen sein, der sich auf seinen Münzen als „König Tobazini“ bezeichnet (Nrn. 1, 2). Er imitierte die Münzen des Sasaniden-Königs Wahram IV. (388–399) und verwendete ein Stammeszeichen, das sowohl bei den Alchan in Kabulistan und Gandhara (s. Vitrine 6) als auch später bei den Hephthaliten in Baktrien (Nrn. 5, 6) begegnet.

Als Vorbild für die hephthalitische Eigenprägung in Balch dienten die Drachmen des Peroz, die die Hephthaliten in so großer Zahl als Tribut- und Lösegeld erhalten und im Geldverkehr mit eigenen Kontermarken versehen hatten (Nr. 3).

Die in Balch geprägten hephthalitischen Imitationen (Nrn. 4, 5) sind anfänglich den sasanidischen Originalen täuschend ähnlich, so dass zu vermuten ist, dass sie von sasanidischen Münzarbeitern, die den Hephthaliten mit deren Sieg über Peroz in die Hände fielen, angefertigt wurden.

Kontext
  • A. Stammeszeichen (Tamga) der Hephthaliten

A. Stammeszeichen (Tamga) der Hephthaliten

  • b. Kaufvertrag (Tinte auf Leder, mit fünf Tonsiegeln) in baktrischer Sprache aus dem Archiv des Fürstentums Rob (Baktrien, Nord-Afghanistan) (©: Nicholas Sims-Williams)
  • B. Kaufvertrag (Tinte auf Leder, mit fünf Tonsiegeln) in baktrischer Sprache aus dem Archiv des Fürstentums Rob (Baktrien, Nord-Afghanistan) (©: Nicholas Sims-Williams)

B. Kaufvertrag (Tinte auf Leder, mit fünf Tonsiegeln) in baktrischer Sprache aus dem Archiv des Fürstentums Rob (Baktrien, Nord-Afghanistan). (©: Nicholas Sims-Williams)

Zwei Einwohner von Madr, einer Stadt im Fürstentum Rob, sind gezwungen, ein landwirtschaftliches Grundstück für acht Golddinare zu verkaufen, da sie die von den Hepththaliten auferlegte Steuer auf ihr Haus nicht bezahlen können. Der Vertrag ist in die Zeit von 483/84 datiert, im Jahr 484 fiel Peroz in der Schlacht gegen die Hephthaliten, danach kam Baktrien unter hephthalitische Herrschaft.

  • C. Tonsiegel eines Hephthaliten-Fürsten mit baktrischer Aufschrift „Der Herr (Yabgu) der Hephthaliten“. Ende 5./1. Hälfte 6. Jh. (©: Aman ur Rahman)

C. Tonsiegel eines Hephthaliten-Fürsten mit baktrischer Aufschrift „Der Herr (Yabgu) der Hephthaliten“. Ende 5./1. Hälfte 6. Jh. (©: Aman ur Rahman)

  • D. Silberschale mit tafelndem Fürstenpaar. Vermutlich in Baktrien hergestellt, 6./7. Jh. n. Chr. Gefunden vor 1841 im Uralvorland (Region um Perm). (©: St. Petersburg, Staatliche Eremitage, Inv.-Nr. S-75)
  • D. Silberschale mit tafelndem Fürstenpaar. Vermutlich in Baktrien hergestellt, 6./7. Jh. n. Chr. Gefunden vor 1841 im Uralvorland (Region um Perm). (©: St. Petersburg, Staatliche Eremitage, Inv.-Nr. S-75)

D. Silberschale mit tafelndem Fürstenpaar. Vermutlich in Baktrien hergestellt, 6./7. Jh. n. Chr. Gefunden vor 1841 im Uralvorland (Region um Perm). (©: St. Petersburg, Staatliche Eremitage, Inv.-Nr. S-75)

Das Fürstenpaar sitzt auf einer mit einem Teppich bedeckten Thronbank, links ein Diener mit Weinkrügen, rechts zwei musizierende Affen; über dem Paar schwebt ein geflügeltes Kamel mit einem Kranz im Maul. Der Fürst mit dem Trinkbecher trägt zentralasiatische Tracht und entspricht in seiner Darstellung dem Münzbildnis des Hephthaliten-Prinzen (Nr. 6).