Der nach Neros Tod auch in Rom wütende Bürgerkrieg bewirkte, dass Vespasian, zuletzt Oberbefehlshaber der in Judäa operierenden römischen Legionen, am 1. Juli 69 von den Truppen in Alexandria zum Kaiser ausgerufen wurde. Diese Entwicklung erforderte im Frühjahr 70 seine Rückkehr nach Rom, weshalb er seinen Sohn Titus mit der Fortsetzung des Krieges gegen die Juden beauftragte (Bild C.). Titus begann Anfang Mai mit vier Legionen, die durch drei Mauern geschützte Stadt Jerusalem einzukreisen und auszuhungern (Stadtplan). Ende August waren die Mauern durchbrochen, der Tempel war erobert und niedergebrannt, Anfang September fiel die Oberstadt. Was nun folgte, war römische Machtdemonstration par excellence: Die Einwohner wurden versklavt oder getötet, und nur wenige, wie die beiden Zelotenführer, wurden für den Triumphzug nach Rom gefangen genommen (Bild B. Vitrine 14). Archäologische Funde aus Jerusalem erinnern noch heute an die blutigen Kämpfe auf Leben und Tod. Die Stadt wurde völlig zerstört, nur drei Türme des Herodes-Palastes blieben als Befestigungsanlage für die künftig in Jerusalem stationierte 10. Legion bestehen. Noch heute finden sich dort Ziegel mit den Stempeln der Legio X Fretensis (Bild D.).
Die Münzen der Aufständischen
Die Münzen des 1. Jüdischen Krieges gehören zu den qualitativ schönsten der jüdischen Münzprägung. Sie wurden innerhalb der fünf Kriegsjahre geprägt und entsprechen dem jüdischen Kalenderjahr, das von April (Monat Nisan) bis März (Monat Adar) reichte. Die Produktionszeit des ersten und fünften Jahres war somit auf einige Monate verkürzt. Während des Krieges wurden ab dem ersten Jahr Silberschekel geprägt, später auch deren Halb- und Viertelstücke, und ab dem zweiten Jahr entstanden Bronzemünzen mit den niedrigeren Teilwerten Halb-, Viertel- und Achtel-Prutah (letztere wurden nur im 4. Jahr ausgegeben). Die Emissionen weisen auf einen hohen Organisationsgrad der Münzstätte hin. Wer dahinter stand, bleibt in der Forschung umstritten, doch wahrscheinlich wurden die Münzen im Laufe des Krieges von verschiedenen Auftraggebern in Jerusalem ausgeprägt: am Anfang von der prorömischen Oberschicht bzw. der Tempelpriesterschaft, gefolgt von den Zelotenführern Johannes von Gischala und Simon bar Giora.
Am Anfang der jüdischen Münzprägung im Krieg gegen Rom steht ein Silberschekel, der als Prototyp bezeichnet wird. Von diesem Stück gibt es bis heute nur zwei Exemplare (Nr.1A).
Über dem Kelch wurden auf den Schekeln sowie auf deren Halb- und Viertelstücken mit althebräischen Buchstaben die Zahlen 1 (aleph) bis 5 (heh) aufgeprägt, die der fünfjährigen Kriegsdauer von 66 – 70 n. Chr. entsprechen. Ab dem zweiten Jahr wurde der Buchstabe shin hinzugefügt, eine Abkürzung für shn’t (Jahr) (Nr.2A).
Der Revolutionsgedanke der Juden zeigt sich bereits in den Legenden, die in Anlehnung an die Hasmonäerzeit die paläo-hebräische Schrift verwenden und in ungewöhnlicher Weise die Währung hervorheben: ŠQL YŚR’L („Schekel Israels“) (Nr.2A). Schlagwortartig wird auch die Stadt Jerusalem zum Zentrum und Symbol der politisch-religiösen Botschaft: YRWŠLM QDŠH („Jerusalem die Heilige“) (Nr.2A). Das Freiheitsstreben der Zeloten findet seinen sichtbaren Ausdruck in den Münzlegenden HRWT ZYWN („Freiheit Zions“) (Nr.8B) und ab dem vierten Jahr wurde mit LGYLT ZYWN („für die Erlösung Zions“) (Nr.10A) die Erwartung politischer Unabhängigkeit zum Ausdruck gebracht.
Als Vorbild für die Legende „Jerusalem die Heilige“ dienten die tyrischen Schekel mit der griechischen Aufschrift tyrou hieras kai asylou („heiliges Tyrus, Stadt des Asyls“), welche man in Judäa schon lange kannte (Bild: E.). Jeder männliche Jude ab dem zwanzigsten Lebensjahr musste seit jeher eine jährliche Tempelsteuer zahlen. Diese war mit einem halben Schekel festgesetzt. Benutzt wurden die in der Stadt Tyros geprägten Münzen, die trotz ihrer Darstellungen des Gottes Herakles-Melqart und des Adlers wegen ihres hohen Silberwertes breit akzeptiert waren.
Die Münzbilder der Aufständischen tragen zusätzlich zum Bild des Kelchs Motive wie Granatäpfel (Nr.2A), Amphoren (Nr.9B), Lulav (Palmwedel) und Etrog (zitronenartige Frucht) (Nr.11A). Sie können als Ritualgegenstände mit dem jüdischen Kult in Verbindung gebracht werden oder beziehen sich auf die Fruchtbarkeit des Landes. Ab dem vierten Jahr wurden Lulav und Etrog, die auf das religiöse Sukkoth-Fest verweisen, sowie das Motiv der Palme mit zwei Körben auf Bronzemünzen geprägt (Nr.10B). Bei Letzterem handelt es sich um die Darstellung der Bikkurim, der ersten Früchte des Jahres, die im Tempel als Opfer dargebracht wurden (Ex 34,22).
Die östlich des Sees Genezareth gelegene Stadt Gamla befand sich während des Aufstandes auf der Seite der Zeloten. In Anlehnung an die Kriegsprägung in Jerusalem wurden auch in Gamla grobe Silberschekel nach Jerusalemer Vorbild emittiert (Nr.14A). Im Winter 67 n. Chr. wurde Gamla von den Römern erobert und vollständig zerstört. Die Stadt wurde nach dem Krieg nicht mehr aufgebaut und ihre Ruinen gerieten bis zur Wiederentdeckung im 20. Jahrhundert in Vergessenheit.
Weiterführende Literatur
D. T. Ariel, Identifying the Mints, Minters and Meanings of the First Jewish Revolt Coins, in: M. Popović (Hg.), The Jewish Revolt against Rome. Interdisciplinary Perspectives, Leiden ‒ Boston 2011
Y. Meshorer, A Treasury of Jewish Coins. From the Persian Period to Bar Kokhba, Jerusalem 2001
Y. Meshorer u. a., Coins of the Holy Land. The Abraham and Marian Sofaer Collection at the American Numismatic Society and the Israel Museum, New York 2013, 2 Bde.
P. Schäfer, Geschichte der Juden in der Antike. Die Juden Palästinas von Alexander dem Großen bis zur arabischen Eroberung, Tübingen 2010