In der rabbinischen Literatur, die Gedanken und Lebenswege der jüdischen Bevölkerung unter der römischen Herrschaft reflektiert, lässt sich ein stetiger Wandel in der jüdischen Einstellung gegenüber bildlichen Darstellungen nachvollziehen. Damals wurden ikonographische Elemente der paganen (religiösen) Welt von den Juden sowohl im privaten Rahmen als auch in öffentlichen Bereichen, etwa in den Synagogen, übernommen und umgesetzt.
Palästina nach dem 2. Jüdischen Krieg
Nach dem 2. Jüdischen Krieg wurde die Geldversorgung in Palästina vorrangig von den großen städtischen Zentren sichergestellt, so von Aelia Capitolina, Neapolis und Caesarea Maritima. In ihren Prägungen ersetzt die römische Bildsprache zur Gänze ältere jüdische Traditionen, und dies auch in jenen Fällen, in denen auf lokale Eigenheiten Bezug genommen wird.
Aelia Capitolina: Dass die Gründung der Kolonie Aelia Capitolina auf Hadrian zurückgeht, illustrieren Münzen, die den Kaiser beim rituellen Umpflügen der äußeren Grenzen der neuen Siedlung darstellen (Nr.1A). Gemäß dem römischen Sakralrecht wurde die Neugründung durch das Markieren der Stadtgrenze durch einen von einer Kuh und einem Stier gezogenen Pflug vorgenommen. Die Hervorhebung des Status als colonia setzt sich in der Münzprägung nach Hadrian fort (Nr.2A) und auch der Jupitertempel wird weiterhin prominent ins Bild gebracht (Nr.3B).
Neapolis: Die Stadt Neapolis war nach dem 1. Jüdischen Krieg von Vespasian am Fuße des Berges Garizim gegründet worden. So wie in Jerusalem ließ Hadrian auch hier auf dem Berg einen Jupiter- bzw. Zeustempel errichten, der ein zentrales Motiv in der römischen Münzprägung der Stadt und zugleich eine herausragende Landschaftsdarstellung in der Münzprägung Palästinas ist (Nr.4A). Bis zum 3. Jahrhundert emittierte die Stadt eigene Münzen. Die paganen Bildelemente, die ab der Zeit des Antoninus Pius (138 – 161 n. Chr.) eingeführt wurden, sind unverkennbar (Nr.5B).
Caesarea Maritima: Der römische Verwaltungssitz Caesarea Maritima war nach dem 1. Jüdischen Krieg von Kaiser Vespasian als Kolonie unter dem Namen Colonia Prima Flavia Augusta Caesarea neu errichtet worden. Diese Koloniegründung wird in der Münzprägung Hadrians weiterhin hervorgehoben (Nr.7A). Der Hinweis auf die ursprünglich von Herodes dem Großen errichtete Hafenanlage wird auch in späteren Münzprägungen beibehalten (Nr.8B).
Im numismatischen Material aus der Zeit nach dem 2. Jüdischen Krieg ist es nicht mehr möglich, ikonographische Elemente zu identifizieren, welche einem spezifisch jüdischen Kontext zuzuordnen wären. Dies ist einerseits das Ergebnis der Zerschlagung der jüdischen Machtstrukturen, andererseits aber auch das Resultat einer gestiegenen Akzeptanz von ikonographischen Darstellungen aller Art. Die rabbinische Literatur dokumentiert diesen Wandel der jüdischen Haltung gegenüber figuralen Darstellungen. In der Genesis Rabbah – einem im Laufe des 5. Jahrhunderts n. Chr. edierten Midrasch (biblische Interpretation) – findet sich ein kurzer Bericht mit einer Auflistung von Münzen, die biblische Protagonisten zeigen: die Patriarchen Abraham, Joshua und David sowie den Propheten Mordechai. Dabei handelt es sich eindeutig um Münzen mit Darstellungen der römischen Kaiser. Die jüdische Rezeption, dass die Darstellung das Leben und die Zeit Abrahams präsentiert haben, machte die Ikonographie für Juden akzeptabler. Die freiere Auffassung in Hinblick auf eine Anstößigkeit bildlicher Darstellungen erlaubte einen pragmatischen Umgang mit der paganen Ikonographie.
Weiterführende Literatur
Y. Meshorer u. a., Coins of the Holy Land. The Abraham and Marian Sofaer Collection at the American Numismatic Society and the Israel Museum, New York 2013, 2 Bde.
P. Schäfer, Geschichte der Juden in der Antike. Die Juden Palästinas von Alexander dem Großen bis zur arabischen Eroberung, Tübingen 2010