Die Präfekten und Prokuratoren übten eine eigene Münzprägung aus. Sie nahmen Rücksicht auf die religiösen Gefühle der Juden und verzichteten auf die üblichen Bilder des römischen Kaisers. Dennoch war das kaiserliche Porträt durch die außerhalb Judäas geprägten und in den jüdischen Siedlungsgebieten umlaufenden Münzen überall präsent: Im Steuergleichnis lässt Jesus sich einen römischen Denar zeigen, um auf das Bild und die Legende des Kaisers verweisen zu können (Mt 22,15‒22; Mk 12,13‒17; Lk 20,20‒26) (Bild C.). Die 30 Silberlinge des Judas Iskariot waren hingegen wohl tyrische Schekel (Nr.13B Vitrine 13).
Die Münzprägung der römischen Präfekten und Prokuratoren
Das annektierte Gebiet des exilierten Archelaos umfasste die Stadt Jerusalem, in der die Präfekten die dortige Münzstätte nutzen konnten. Bildnisse des Kaisers sind auf ihren Münzen nicht dargestellt. Die Datierung nach den Regierungsjahren des aktuellen Herrschers hilft, die Münzen den Präfekten zuzuordnen. Dabei wird klar, dass in unregelmäßigen Abständen und auch nicht von allen Präfekten geprägt wurde.
Zwar nennen die Münzen der römischen Präfekten und Prokuratoren den römischen Kaiser in der Legende, doch in den Darstellungen halten sie sich an das Bilderverbot. Kornähre und Palme sind auf den Münzen des Coponius zu sehen (Nr.1A). Sie repräsentieren die wichtigsten landwirtschaftlichen Produkte des neu annektierten Landes. Die Palme wurde in der römischen Münzprägung zum Symbol für die Provinz Judäa. Der Name des Coponius wird auf den Münzen nicht genannt. Die einzige Möglichkeit, die Prägungen den ersten drei Präfekten zuzuweisen, sind die griechischen Zahlzeichen. Als Jahr 1 dieser Ära wird heute das Jahr 27 v. Chr. vermutet, als Octavian vom Senat den Ehrennamen Augustus verliehen bekam.
Valerius Gratus prägte im Namen des Tiberius und von dessen Mutter Livia Münzen mit teils verschiedenen Reversbildern: Während auf dem Revers für Tiberius der Heroldsstab zwischen einem Doppelfüllhorn glückliche Zeiten verheißt (Nr.2A), wurde Livia mit Lilien ausgestattet (Nr.3B), die als Symbol der Göttin Juno gedeutet werden können. Doch handelt es sich bei der Lilie auch um ein genuin jüdisches Symbol, wie aus der Verwendung des Motivs auf den für Judäa geprägten Prokuratorenmünzen hervorgeht (Nr.4A). Münzen des darauf folgenden Jahres zeigen auf der Vorderseite eine Weinrebe, auf der Rückseite ist ein Kantharos zu sehen (Nr.5B). Die griechische Legende ΙΟΥΛΙΑ weist auf Livia hin, die nach ihrer testamentarischen Adoption durch Augustus Mitglied der gens Iulia (julische Familie) wurde.
Unter Pontius Pilatus, der nur drei Jahre prägte, kamen mit dem Simpulum (Schöpfkelle: Nr.6B) und dem Lituus (Augurenstab: Nr.7A) weit verbreitete Symbole der römischen Religion auf die Münzen. Vor allem der Augurenstab wird in der Forschung als Provokation gedeutet, denn er war zugleich ein römisches Machtsymbol. Nun endet auch die Namensnennung der Livia, die im Jahr 29 n. Chr starb.
Nach dem kurzen Zwischenspiel der Regentschaft von Herodes Agrippa I. (41 ‒ 44 n. Chr.) wurden römische Prokuratoren nach Judäa gesandt. Die ersten drei ließen offenbar keine Münzen ausgeben. Nur in einem einzigen Jahr prägte Antonius Felix (52 – 57 n. Chr.): Die Münzen im Namen des Claudius verweisen mit den Waffen auf dessen Siege in Britannien (Nr.8A); Münzen für die Gemahlin des Kaisers, Agrippina, zeigen gekreuzte Palmzweige (Nr.9A). Unter Festus (59 – 62 n. Chr.) wurden im Jahr 59 n. Chr. die letzten Prokuratorenmünzen geprägt (Nr.10B).
Weiterführende Literatur
H. Gitler, The Thirty Pieces of Silver – A Modern Perspective, in L. Travaini (ed.), Valori e discalori simbolici delle monete. I Trenta denari di Giuda, Milan 2009, pp. 63–78.
N. Kokkinos, The Prefects of Judaea 6 ‒ 48 CE and the Coins from the Misty Period 6 ‒ 36 CE, in: D. M. Jacobson – N. Kokkinos (Hgg.), Judaea and Rome in Coins 65 BCE – 135 CE. Papers Presented at the International Conference Hosted by Spink, 13th – 14th September 2010, London 2012, 85‒111
A. Kushnir-Stein, New INR Classification for Early Roman Governors of Judea, Editor’s Note, Israel Numismatic Research 2 (2007), pp. 3–4
Y. Meshorer, A Treasury of Jewish Coins. From the Persian Period to Bar Kokhba, Jerusalem 2001
Y. Meshorer u. a., Coins of the Holy Land. The Abraham and Marian Sofaer Collection at the American Numismatic Society and the Israel Museum, New York 2013, 2 Bde.