12. Zabulistan: Von der Alchan-Nezak-Mischgruppe zu den Türken

Gegen Ende des 6. Jahrhunderts setzte in Zabulistan die Prägung einer neuen Münzgruppe ein, die typologisch und stilistisch direkt an die Emissionen der Nezak-Könige anschließt (s. Vitrine 11). Hinzu tritt das Tamga der Alchan, weshalb wir von der Alchon-Nezak-Mischgruppe sprechen. Sie ist das Ergebnis jener politischen Umbrüche, die nach dem Machtverlust des Alchan-Königs Mihirakula in Indien (s. Vitrine 9) sowie der Niederlage der Hephthaliten gegen die Sasaniden und Westtürken in Baktrien (s. Vitrine 10) um 560 n. Chr. die hunnische Welt erfasste und eine Neuordnung der Machtverhältnisse in den Gebieten nördlich und südlich des Hindukusch mit sich brachten.

Die Münzbildnisse der neuen Herren, denen es gegen Ende des 6. Jahrhunderts gelang, die Sasaniden erneut aus Zabulistan zu verdrängen, sind mit den Bildnissen der Nezak-Könige eng verwandt, doch fehlt der markante Stierkopf auf der Krone (Nrn. 1–5). Die neue Krone besteht aus drei Mondsicheln, in die eine Blüte oder ein Dreizack eingesetzt ist, und entwickelte sich aus den späten Alchan-Kronen. Auf einer späteren Ausgabe, die den König mit einer Blume in der Hand zeigt, wird der Kronenschmuck auf eine Mondsichel reduziert (Nr. 6). Die Legenden versuchen, die alte Formulierung der Nezak zu kopieren, sind jedoch nur mehr Dekoration. Auch die Rückseitenbilder stellen Übernahmen aus der Nezak-Prägung dar.

Die Drachmen werden von einer reichen Kupferprägung begleitet, die nicht zuletzt auch eine Umstellung der Währungsverhältnisse signalisiert. Der markante, doppelte Münzbildrand auf einem Kupfermünztyp (Nr. 4) ist aus der sasanidischen Reichsprägung entlehnt und zeigt, dass diese Ausgabe nicht vor 592/93 n. Chr. geprägt worden sein kann.

Nach der Mitte des 7. Jahrhunderts erscheint auf den Drachmen eine neue Legende, die den Ehrentitel „Exzellenz/Vollkommenheit“ (šrio) mit dem Königstitel verbindet und sowohl in Baktrisch als auch in Sanskrit (Brahmi-Schrift) geschrieben wird (Nrn. 7, 8). Dieser Legendenwechsel steht vermutlich mit dem Herrschaftsantritt jener türkischen Königsdynastie in Verbindung, die nach Ausweis der literarischen Quellen nach 661 auch in Kabulistan die Macht von den dort regierenden Nezak-Königen übernahm (s. Vitrine 13).

Kontext
  • A. Stammeszeichen (Tamga) der Turk-Schahis von Zabulistan

A. Stammeszeichen (Tamga) der Turk-Schahis von Zabulistan

B. Reste des buddhistischen Stupas von Tangi Safedak, am Mittellauf des Band-e Amir (Distrikt Yakaulang, Provinz Bamiyan, Afghanistan). Anfang 8. Jh. (©: Tropix.co.uk/Jonathan Lee)

Der Stupa liegt auf einer Terrasse am Nordabhang eines Hügels und ist großteils noch von Erde bedeckt. In unmittelbarer Nachbarschaft befanden sich eine antike Siedlung sowie ein buddhistischer Höhlenkomplex.

C. Baktrische Stifterinschrift von der äußeren Ostwand des Stupas von Tangi Safedak. Vermutlich um 714/15 n. Chr. (©: Tropix.co.uk/Jonathan Lee)

„Es war das Jahr 492 (lokale, baktrische Ära, entspricht vermutlich 714/15 n. Chr.), Monat Sbol, als ich, Alchis, Sohn des Churas, Herr von Gazan, diesen Stupa als fromme Stiftung errichtete […].“

Der Stupa wurde von Alchis, dem Herrn von Gazan (die Stadt Ghazni, Hauptstadt von Zabulistan), errichtet. Darin wurde eine Steinkiste entdeckt, die unter anderem 17 Münzen enthielt (vgl. Nr. 13). Die Münzen müssen daher spätestens bei der Anlage des Deposits, die nach Ausweis der Inschrift vermutlich im Jahre 714/15 erfolgte, in Umlauf gewesen sein.

  • D. Der Weg von Ghazni in das Tal des Band-e Amir nach Yakaulang

D. Der Weg von Ghazni in das Tal des Band-e Amir nach Yakaulang.

Aus mittelalterlichen arabischen Quellen wissen wir, dass die Herren von Ghazni ihr Vieh im Tal des Band-e Amir weideten.

  • E. Tonskulptur eines Fürstenpaares aus dem buddhistischen Kloster von Fondukistan, Nische E; Ende 7. / Anfang 8. Jh. (©: Kabul, Afghanisches Nationalmuseum / Wien, WHAV)
  • E. Tonskulptur eines Fürstenpaares aus dem buddhistischen Kloster von Fondukistan, Nische E; Ende 7. / Anfang 8. Jh. (©: Kabul, Afghanisches Nationalmuseum / Wien, WHAV)

E. Tonskulptur eines Fürstenpaares aus dem buddhistischen Kloster von Fondukistan, Nische E; Ende 7. / Anfang 8. Jh. (©: Kabul, Afghanisches Nationalmuseum / Wien, WHAV)

Das Kloster von Fondukistan wurde vermutlich Ende des 7. oder Anfang des 8. Jhs. errichtet und liegt an der wichtigen Straßenverbindung, die von Kabul über Kapisa ins Tal von Bamiyan führt. Unter der Skulpturenbasis wurde eine tönerne Urne gefunden, die einen goldenen Brakteaten mit Herrscherbildnis, drei Drachmen der Turk-Schahis (davon eine kontermarkiert, vgl. Nr. 7), sowie eine kontermarkierte Drachme des Sasaniden-Königs Chosro II. aus seinem 37. Regierungsjahr (= 627/28) enthielt. Die später darauf angebrachten Kontermarken zeigen, dass die Deponierung der Urne nach 689 n. Chr. erfolgt sein muss.

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